2. Buch „Verlassene Orte – Bilder und Geschichten“
Einleitung
Verlassene Orte, oft vergessen, meist verfallen, sind ganz eigene Zeugen unserer neueren Geschichte. Es gibt eigentlich keine genaue Definition dieser Lost Places. Die englische Bezeichnung wurde auf ausdrücklichen Wunsch des Verlegers in den Titel aufgenommen, weil nun mal in den Suchmaschinen meist nach diesem Begriff gesucht wird. Ich versuche aber immer, Anglizismen zu vermeiden, da, wo es schöne deutsche Worte dafür gibt. Man darf den Begriff „verlassen“ nicht als ausschließliches Kriterium verwenden. Die unzähligen Burgruinen in Deutschland werden im Sinne dieses Buches und des Begriffes „Verlassene Orte“ merkwürdigerweise nicht dazu gezählt. Deren Erkundung ist i.d.R. Burgenforschern vorbehalten. Die „Lost Places“, um den Begriff doch noch mal zu verwenden, sind eher Ruinen der Moderne, Gebäude und Einrichtungen, die noch vor mehr oder weniger kurzer Zeit bewohnt oder genutzt worden. Dazu gehören auch Schlösser, die in den meisten Fällen vor mehreren hundert Jahren errichtet wurden, aber später eine sehr unterschiedliche Nutzung erfuhren. Gerade in Mitteldeutschland wurden sie nach dem 2. Weltkrieg und der damit verbundenen Bodenreform zu Kinder- oder Altenheimen oder auch Verwaltungssitzen von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) umfunktioniert. Deshalb werden sie, im Gegensatz zu den mittelalterlichen Burgen, als „verlassene Orte“ betrachtet. In diesem Buch werden die verschiedenartigsten Orte beschrieben, von einer großen Russen-Kaserne über stillgelegte Fabriken bis hin zu kleinen, kaum beachteten Flecken, die irgendwo in der Landschaft stehen und dem Betrachter oft Rätsel aufgeben. Ich habe dabei versucht, die Geschichte dieser Orte zu erkunden und etwas mehr in Erfahrung zu bringen, als das, was man im Netz oder in der Literatur findet. Das ist mir in den meisten Fällen gelungen. Dabei haben mir sehr viele Menschen bereitwillig geholfen. Nach z.T. unzähligen Telefonaten oder E-Mails konnte ich Zeitzeugen finden, die mir Informationen gaben, ehemalige Bewohner, Angestellte oder in einigen Fällen auch Chefs dieser Objekte, die ich manchmal auch durch Zufall bei den Fototerminen getroffen habe. Sie berichteten über Geschichte und Geschichten der verlassenen Orte, die auch Teil ihres Lebens und unserer Geschichte waren. Ihnen gilt mein besonderer Dank!
Obwohl auch ich sehr gern schwarz-weiß fotografiere, habe ich bei den meisten Bildern die Farbe belassen. Denn das Zusammenwirken der verschiedensten Materialien, die an den verlassenen Orten zu finden sind, hat seinen besonderen Reiz. Mauerreste, verrostete Teile, verwittertes Holz und die Rückeroberung durch die Natur führen zu immer wieder neuen und interessanten Farbspielen. Unsere Reise zu den verlassenen Orten beginnt im Süden Thüringens, führt uns durch Sachsen-Anhalt und endet ganz im Osten, in der Sächsischen Schweiz. Besonderheiten der Fotografie in verlassenen Orten Landschafts- und Naturfotografie sind hinsichtlich der fotorechtlichen Situation relativ einfach zu handhaben. Fotografiert man Personen, insbesondere im Bereich Akt- und Erotikfotografie, müssen die Rechte an den Bildern abgestimmt sein, am besten durch einen Vertrag. Alle verlassenen Orte haben einen Besitzer, auch wenn dieser in einigen Fällen nicht bekannt ist. Bewegt man sich auf dessen Gelände oder, was ja am häufigsten ist, in dessen Gebäuden, müsste eigentlich die Genehmigung des Eigentümers vorliegen. Praktisch ist das nicht immer, oder besser gesagt, kaum zu realisieren, aber zumindest bei der Veröffentlichung der Bilder, gleich, ob im Internet oder in einem Buch, sollte die Genehmigung vorliegen. Ein anderes ebenso wichtiges Thema ist die Sicherheit in verlassenen Orten. In vielen Fällen ist das Dach beschädigt und damit auch die darunter befindliche Bausubstanz. Nur wenige Fotografen können die Statik derartiger Bauwerke einschätzen. Als ehemaliger Höhenretter, Bergsteiger und Aufsichtsbeamter hatte ich fast mein ganzes Leben mit Sicherheitsfragen zu tun. Deshalb kann ich derartige Situationen einschätzen und bin vor allem auch optimal ausgerüstet. Durchtrittsichere Schuhe (S3) und in vielen Fällen auch ein geeigneter Schutzhelm sind ständige Begleiter bei meinen Fototouren. Leider musste ich immer wieder sehen, dass andere Fotografen völlig unzureichend ausgerüstet waren und sich arglos im Gelände bewegten. Ein Wunder, dass hier so wenig passiert! Die Gefahren lauern nicht nur im Einsturz von Gebäudeteilen, sondern auch nicht gesicherte Gruben und Schächte, offene Bodendurchbrüche, nicht leicht erkennbare Absturzkanten oder auch nur Nagelbretter im Gras können zu schweren Unfällen führen. Neben der üblichen Fotoausrüstung, zu der natürlich ein gutes Stativ gehört, ist die Beleuchtung wichtig, zum einen zum sicheren Bewegen in dunklen Räumen, hier hilft vor allem eine gute LED-Stirnlampe, aber auch zum Ausleuchten der Objekte. Hier sind ein lichtstarkes Blitzgerät oder LED-Handlampen eine große Hilfe.